Zwischen Zittau und Görlitz: Die Lausitzer Neiße – Ein Fluss voller Leben kehrt zurück
Zittau/Görlitz – Juni 2025
Über Jahrzehnte galt sie als belastet, ökologisch tot und allenfalls als politische Trennlinie zwischen Ost und West: die Lausitzer Neiße. Heute aber zeigt sich ein anderes Bild. Der Fluss, der sich auf über 250 Kilometern von Tschechien bis zur Oder zieht und dabei Görlitz, Zittau, Bad Muskau und viele weitere Orte streift, entwickelt sich immer mehr zu einem lebendigen Lebensraum – auch für zahlreiche heimische Fischarten.
Ein Fluss, der überwindet – nicht nur Grenzen
Zwischen Zittau und Görlitz wirkt die Neiße oft ruhig, fast unauffällig. Doch wer genau hinsieht, erkennt: Hier tut sich etwas. Bachforelle, Barbe, Döbel, Hecht, Aal – sie alle sind in den vergangenen Jahren wieder häufiger gesichtet worden. Der einst biologisch verarmte Grenzfluss wird heute zu einem rückgewonnenen Naturraum, in dem Wasserqualität, Artenvielfalt und ökologische Durchgängigkeit wieder eine Rolle spielen.
Dass dieser Prozess nicht von selbst geschieht, ist klar:
Vielerorts wurde die Neiße renaturiert, veränderte Uferstrukturen wurden rückgebaut, neue Flachwasserbereiche geschaffen. Fischwanderhilfen an Wehren und Staustufen sollen Fischen den Weg in neue Laichgebiete öffnen. Besonders im Raum Görlitz, Hagenwerder und Rothenburg sind solche Maßnahmen in den letzten Jahren deutlich sichtbar geworden.
Rückkehr der Arten: Ein leises Comeback
Nach jahrzehntelanger Umweltbelastung durch den Braunkohlebergbau, Chemieeinleitungen und mangelnde Abwasserreinigung war die Neiße in den 1980er-Jahren weitgehend „leergefischt“. Der Sauerstoffgehalt war zu niedrig, viele Abschnitte biologisch tot.
Heute ist die Lage eine andere:
- Nasen (eine ökologisch empfindliche Art) kehren zurück,
- Schleien und Zander finden neue Rückzugsräume,
- Rotaugen, Plötze, Barsch und Gründling besiedeln die ruhigeren Zonen,
- in schattigen Flussabschnitten schwimmen wieder Bachforellen.
Selbst Aale, die weite Strecken über Nordsee und Elbe zurücklegen, wurden wieder in der Lausitzer Neiße nachgewiesen.
Naturschutz und Fischerei – eine fragile Balance
Die ökologische Aufwertung der Neiße wird flankiert von Maßnahmen lokaler Akteure.
Anglerverbände wie der AV Elbflorenz, die Sächsische Landesstiftung Natur und Umwelt sowie grenzüberschreitende Projekte mit Polen (z. B. INTERREG-Projekte) arbeiten daran, den Fluss dauerhaft lebendig zu halten.
So werden regelmäßig:
- Fischbesatzaktionen durchgeführt,
- Wasserproben und Populationserhebungen gemacht,
- grenznahe Renaturierungen wissenschaftlich begleitet,
- und Fischtreppen bzw. Umgehungsgerinne an alten Wehranlagen geplant oder gebaut.
Die Herausforderung dabei: Zwischen Naturschutz, Tourismus, Landwirtschaft und Energiegewinnung die Balance zu halten.
Angeln an der Neiße: Möglich, aber reguliert
Wer entlang der Neiße fischt, muss sich an klare Regeln halten.
Neben einem gültigen Fischereischein braucht es eine Erlaubnis für das jeweilige Gewässer – in Sachsen oder auf polnischer Seite. Besonders gefragt sind:
- der Abschnitt bei Hirschfelde,
- die Gegend rund um Ostritz,
- sowie Flussteile südlich von Görlitz.
Schonzeiten, Mindestmaße und Artenschutzbestimmungen sind verbindlich – doch der Fischreichtum sorgt dafür, dass sich der Aufwand lohnt. Auch bei Jugendangelgruppen der Region erlebt das Flussangeln ein kleines Revival.
Ein ökologisches Symbol mit politischer Wirkung
Die Neiße ist nicht nur Fluss – sie ist auch Grenze, Mahnung und Hoffnung zugleich. Als Symbol des Kalten Krieges lange politisch aufgeladen, ist sie heute ein Beispiel dafür, wie ökologischer Wandel gelingen kann, wenn Zusammenarbeit und langfristiges Denken zusammentreffen.
Im Kontext der Klimakrise, zunehmender Trockenperioden und Wasserknappheit wird der Schutz kleiner und mittlerer Flüsse wie der Lausitzer Neiße immer bedeutsamer – nicht nur für Fische, sondern für das ganze Ökosystem der Oberlausitz.
Fazit: Der Grenzfluss wird Lebensader
Aus einem geschundenen Industriefluss wird ein wiederbelebter Naturraum. Die Lausitzer Neiße ist längst mehr als eine stille Linie auf der Landkarte – sie ist Heimat, Rückzugsort und Verbindungsglied. Für Fische, Vögel, Pflanzen – und für uns Menschen, die ihre Zukunft gestalten.