Berlin. 35 Jahre nach der Wiedervereinigung zieht der Düsseldorfer Ökonom Jens Südekum eine nüchterne Bilanz: Ostdeutschland steht heute wirtschaftlich deutlich besser da, aber die Fehler der frühen Transformation sind noch immer spürbar.
❌ Fehler der Vergangenheit
Die Abwicklung der DDR-Wirtschaft sei in vielen Fällen zu brutal erfolgt. Betriebe wurden geschlossen, anstatt behutsam modernisiert zu werden. „Man hätte genauer hinschauen können, wo Investitionen Strukturen und Arbeitsplätze hätten retten können“, erklärt Südekum. Die damalige Schocktherapie habe ganze Industriezweige ausgelöscht. Viele Biografien wurden gebrochen – eine Wunde, die bis heute nicht verheilt ist.
✅ Erfolge im Osten
Trotz dieser Fehler verweist der Ökonom auf handfeste Fortschritte:
- Der Infrastrukturaufbau war ein Kraftakt und ein Erfolg.
- Heute bietet der Osten entwickelte Flächen und klimafreundliche Energie – Standortvorteile, die bundesweit gefragt sind.
- Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern stehen regelmäßig an der Spitze beim Wirtschaftswachstum.
Löhne und Produktivität haben sich in Städten ähnlicher Größe zwischen Ost und West fast angeglichen. Das zeigt: Der Aufholprozess funktioniert – auch wenn Metropolen wie München oder Hamburg im Osten weiterhin fehlen.
⚖️ Keine Sonderregeln
Eine spezielle ostdeutsche Förderpolitik sieht Südekum kritisch. Forderungen nach einer Abschaffung der Erbschaftsteuer im Osten lehnt er ab: „Die Steuer muss bundesweit reformiert und tendenziell erhöht werden. Momentan können sich die ganz großen Vermögen viel zu einfach entziehen.“
📊 Fazit
Ostdeutschland hat nach 35 Jahren Einheit viel erreicht – die Region ist längst nicht mehr nur „Subventionsempfänger“. Doch die Fehler der frühen 1990er Jahre lasten schwer und prägen das Gefühl der Benachteiligung bis heute.
🖋️ Kommentar der Redaktion
Die Analyse von Jens Südekum zeigt zweierlei: Die Erfolge der Einheit sind unbestreitbar – neue Straßen, moderne Industrie, wachsende Standorte. Aber die Narben der Transformation wurden nie wirklich geheilt. Hier liegt die Wurzel für die politische Unzufriedenheit vieler Ostdeutscher. Statt über Symbolpolitik wie Sondersteuern oder neue Ämter zu debattieren, muss die Politik endlich Vertrauen zurückgewinnen: durch gezielte Investitionen in Bildung, Innovation und echte Wertschätzung für die Lebensleistung im Osten.