📰 Auftakt Ein Vorstoß aus Wirtschaft und Wissenschaft, einen gesetzlichen Feiertag zu streichen, hat eine bundesweite Debatte ausgelöst. Im Fokus stehen drei christlich geprägte Tage: Ostermontag, Pfingstmontag und der zweite Weihnachtsfeiertag. Befürworter verweisen auf Modelle, wonach ein zusätzlicher Arbeitstag das Bruttoinlandsprodukt um bis zu 8,6 Milliarden Euro erhöhen könnte, Kritiker warnen vor Eingriffen in gewachsene Ordnung und Erholungszeiten. Hinzu kommt die verfassungsrechtliche Ebene: Feiertage sind Ländersache.
🧭 Treiber der Debatte Angestoßen wird die Diskussion von Wirtschaftsverbänden und Ökonomen. Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft nennt explizit die genannten Montags- und Weihnachtstage als Streichkandidaten. Unterstützt wird die Richtung von Stimmen aus der Wirtschaftsforschung, die auf schwache Produktivitätsentwicklung und Arbeitskräftemangel verweisen.
🕰️ Blick zurück Deutschland hat bereits Erfahrung mit der Abschaffung eines Feiertags. 1995 fiel der Buß- und Bettag – mit Ausnahme Sachsens – weg, um die Pflegeversicherung mitzufinanzieren. Der historische Präzedenzfall dient Befürwortern als Beleg, dass Änderungen grundsätzlich möglich sind, zeigt zugleich aber die politische Sensibilität des Themas.
📈 Rechenmodelle und Wettbewerb Ökonomisch argumentieren Befürworter mit internationalem Wettbewerb und zusätzlicher verfügbarer Arbeitszeit. Das Institut der deutschen Wirtschaft beziffert – je nach Methode – einen möglichen BIP-Impuls von fünf bis 8,6 Milliarden Euro pro zusätzlichem Werktag. Dieser Effekt soll laut Anhängern der Streichung die Wettbewerbsfähigkeit stärken.
🔎 Grenzen der Vergleichszahlen Vergleichswerte zu Jahresarbeitsstunden werden relativiert: Zwar leisten Beschäftigte in Deutschland im Schnitt weniger Stunden als etwa in Österreich oder Italien, doch der hohe Teilzeitanteil verzerrt die Statistik. Zugleich bleiben strukturelle Bremsen wie Fachkräftemangel, Bürokratie und zu geringe Effizienz auch bei weniger Feiertagen bestehen. Der reine Stundenvergleich greift damit zu kurz.
🤝 Gesellschaftliche Gegenstimmen Kirchen und Gewerkschaften betonen die identitätsstiftende, soziale und gesundheitliche Funktion gemeinsamer Ruhetage. Feiertage stiften gesellschaftlichen Zusammenhalt und verlässlich planbare Erholungszeiten. Aus dieser Perspektive wiegt der kulturelle und soziale Wert schwerer als kurzfristige ökonomische Zugewinne.
🏛️ Politische Hürden im Föderalstaat Politisch ist die Bereitschaft quer durch die Parteien gering, an der Zahl gesetzlicher Feiertage zu rühren. Da Feiertage in die Kompetenz der Länder fallen, wären für Veränderungen Mehrheiten in den Landtagen nötig – ein hoher Hürdenlauf. Zudem ist die Feiertagskultur regional unterschiedlich verwurzelt, was die kurzfristige Aussicht auf eine Streichung weiter schmälert.
⚖️ Einordnung und Ausblick Der ökonomische Nutzen eines gestrichenen Feiertags ist rechnerisch plausibel, praktisch aber begrenzt und politisch schwer durchsetzbar. Aus konservativer Sicht gilt das Prinzip Maß und Mitte: Bevor historisch verankerte Ruhetage infrage stehen, sollten wachstumswirksame Hebel mit breitem Konsens angepackt werden – Bürokratieabbau, Investitionsanreize und eine stärkere Erwerbsbeteiligung. Die Feiertagsfrage bleibt damit Symboldebatte und Seismograf eines tieferliegenden Problems: Die Produktivität steigt zu langsam. Eine Streichung allein würde daran wenig ändern.
🗨️ Kommentar der Redaktion Wer an Feiertagen rüttelt, rüttelt an der Ordnung eines Landes. Ein Plus an Bruttoinlandsprodukt rechtfertigt keinen schnellen Zugriff auf kulturell verankerte Ruhetage. Notwendig sind nicht mehr Arbeitsstunden, sondern bessere Rahmenbedingungen: weniger Bürokratie, kluge Investitionsanreize und höhere Erwerbsbeteiligung. In einem föderalen Staat verbietet sich der Federstrich von oben – er würde spalten statt stärken. Unser Befund ist klar: Hände weg von den Feiertagen, ran an die echten Reformen.


