🧩 Sommerinterview des Kanzlers offenbart Kommunikationsstrategie – doch Antworten bleiben aus
🗳️ Bundesverfassungsrichterwahl geplatzt – CDU blockiert SPD-Kandidatin
Berlin – Es sollte ein Routinevorgang sein, wurde jedoch zum ersten ernsten Stresstest für Kanzler Friedrich Merz: Die Wahl dreier Verfassungsrichter ist am Freitag im Bundestag gescheitert. Ausgerechnet in den eigenen Reihen stemmten sich CDU-Abgeordnete gegen die von der SPD nominierte Juristin Frauke Brosius-Gersdorf – die Abstimmung musste kurzfristig verschoben werden.
🧊 Merz setzt auf Abkühlung – „Das ist kein Beinbruch“
Zwei Tage später stellt sich Merz im ARD-Sommerinterview der Öffentlichkeit. Der Tenor: Gelassenheit statt Aufregung.
„Das ist nicht schön, aber nichts, was uns umwirft“, so der Kanzler.
Er habe Verständnis für die „Gewissensentscheidung“ einzelner Abgeordneter und räumt zugleich ein, man habe den Unmut in der Fraktion „vielleicht zu spät erkannt“.
Ein offenkundiger Kommunikationskurs, der drei Strategien erkennen lässt:
- Abwiegeln – Das Ganze sei nicht dramatisch.
- Beruhigen – Eine Lösung werde kommen, aber ohne Hast.
- Normalisieren – Solche Spannungen seien künftig häufiger zu erwarten.
🚫 Keine Lösung, keine Linie, keine Richtung
Was auffällt: Zur Lösung der verfahrenen Situation äußert sich Merz nicht.
Weder geht er auf den SPD-Vorschlag eines Vorstellungsgesprächs mit Brosius-Gersdorf ein, noch nennt er einen Zeitplan für eine neue Abstimmung. Auf Nachfrage:
„Ich werde hier keine weiteren Ankündigungen machen.“
Zugleich verteidigt Merz seinen Fraktionschef Jens Spahn: „Er ist der Richtige für den Job.“ Spahn selbst schweigt seit dem Eklat – ebenso wie weite Teile der CDU/CSU-Fraktion.
🧨 Steinmeier mahnt, Merz beschwichtigt
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigt sich im zeitgleich ausgestrahlten ZDF-Interview deutlich kritischer:
„Die Koalition hat sich selbst beschädigt.“
Es gehe nicht nur um die Wahl eines Richters, sondern um die „Autorität des Bundesverfassungsgerichts und des Parlaments“.
Merz kontert: Das Interesse der Bevölkerung an der Personalie sei „höchstens am Rande“. Eine Einschätzung, die viele in der Regierungskoalition als zynisch empfinden dürften – vor allem angesichts der lähmenden Wirkung auf Koalitionsdisziplin und Gesetzesprojekte.
🧮 Koalitionsvertrag – punktgenau oder punktuell?
Merz betont:
„Wir haben den Koalitionsvertrag bis zur Sommerpause punktgenau umgesetzt.“
Doch nicht alles läuft nach Plan. So wird die versprochene Reform der Schuldenbremse in diesem Jahr wohl nicht mehr kommen. Auch die Stromsteuer-Absenkung scheiterte im Bundesrat – ein weiterer Hinweis auf tieferliegende Risse im schwarz-roten Bündnis.
❌ Keine Öffnung zur Linken – aber Stimmen braucht es
Die Linke hat bereits angekündigt, ihre Zustimmung zum CDU-Kandidaten Günther Spinner davon abhängig zu machen, ob Brosius-Gersdorf eine echte Chance erhält. Die Regierung benötigt Zweidrittelmehrheiten – ohne AfD oder Linke kaum zu realisieren.
Merz bleibt hart:
„Wir arbeiten weder mit der AfD noch mit der Linkspartei zusammen.“
Zugleich aber: „Im Parlament kann es bei Abstimmungen durchaus Überschneidungen geben.“ – ein rhetorischer Eiertanz, der offenbart: Die Regierung braucht Partner, will aber keine.
🌍 Noch größere Krisen vor der Tür
Der Richterstreit sei „kein Beinbruch“, sagt Merz. Doch in Wahrheit ist es ein Meniskusriss im Koalitionsgelenk – schmerzhaft, instabil, schwer zu therapieren.
Zumal sich am Horizont eine weit größere Gefahr abzeichnet: Ab 1. August könnten die USA unter Präsident Trump Strafzölle auf EU-Produkte erheben. Merz warnt:
„Das würde die deutsche Exportwirtschaft ins Mark treffen.“
Man arbeite intensiv an einer Lösung, doch ohne europäische Geschlossenheit und gute Kanäle nach Washington droht die nächste Zerreißprobe – diesmal in der Außen- und Wirtschaftspolitik.