🧠 Geschichte, Nähe und Identität prägen das Bild vom „russischen Nachbarn“
Wenn man heute in Deutschland über Russland spricht – über den Krieg gegen die Ukraine, über Putin, Sanktionen und Angst vor Eskalation –, dann spürt man oft einen Graben zwischen Ost- und Westdeutschen. Ein Graben, der nicht aus ideologischer Abwehr entsteht, sondern aus unterschiedlichen Lebenserfahrungen.
Es ist kein Ost-West-Klischee, sondern ein Realitätsgefühl, das sich aus der Geschichte speist.
🏚️ Die Nähe war real – im Osten war Russland keine Fremde
Wer in der DDR groß geworden ist, hat Russland nicht nur aus der Zeitung oder dem Fernsehen gekannt.
- Russische Soldaten waren in den Kasernen vor Ort.
- Russische Sprache wurde in der Schule unterrichtet.
- Es gab private Kontakte: Freundschaften, Konflikte, sogar Ehen.
Russland war näher – menschlich wie kulturell. Viele Ostdeutsche erinnern sich nicht nur an die politische Abhängigkeit, sondern auch an den sowjetischen Soldaten, der Brot teilte oder half, den Lada zu reparieren.
Diese Nähe wirkt nach – trotz Krieg, trotz politischer Verwerfungen.
🏛️ Der Westen: Freiheitserfahrung durch Distanz zu Moskau
Im Westen Deutschlands wurde Russland jahrzehntelang vorrangig als Bedrohung gesehen – als Erbe des Kalten Krieges.
- Russland war das „Reich des Bösen“.
- Die NATO war Schutzschild, nicht Provokation.
- „Freiheit“ hieß: westlich, kapitalistisch, amerikanisch.
Viele Westdeutsche sahen Russland nie als Partner, sondern als den entfernten, schwer durchschaubaren Gegner. Eine emotionale Bindung – wie sie im Osten oft noch zu finden ist – fehlt.
🔁 Heute: Zwischen Enttäuschung, Skepsis und Loyalität
Im Jahr 2025 ist das Bild von Russland zerbrochen – auch im Osten. Der Angriff auf die Ukraine hat tiefe Risse hinterlassen. Doch während im Westen häufig schnelle Urteile gefällt werden („Putin = Russland = Gefahr“), gibt es im Osten mehr Ambivalenz, mehr Differenzierung.
Man hört Sätze wie:
„Ich verurteile den Krieg – aber ich hasse nicht das russische Volk.“
„Nicht jeder Russe ist ein Feind. Viele haben selbst Angst.“
Das sind keine Ausflüchte, sondern Versuche, Menschlichkeit über Nationalismen zu stellen. Vielleicht auch Ausdruck einer gewissen „Ost-Resilienz“: Wer jahrzehntelang im System gelernt hat, zu unterscheiden, urteilt nicht reflexhaft.
✍️ Fazit: Zwei Blickwinkel, ein Ziel – Frieden
Der unterschiedliche Blick auf Russland hat nichts mit Naivität oder Rückständigkeit zu tun, sondern mit Erinnerung, Erziehung und direkter Erfahrung.
Wenn Deutschland heute geeint sein will – auch im Blick auf den Krieg –, dann darf es sich nicht in Schuldzuweisungen zwischen Ost und West verlieren.
Was zählt, ist ein gemeinsamer wertebasierter, aber reflektierter Umgang mit der Geschichte und Gegenwart – mit Russland, mit Europa, mit sich selbst.