📰 Entscheidung: Thyssenkrupp Steel Europe legt die Produktion von Elektrostahl (kornorientiertes Elektroband, GOES) in Europa ab Mitte Dezember bis zum 31. Dezember 2025 vorübergehend still. Als Hauptgrund nennt der Konzern massiv gestiegene Billigimporte aus Asien.
🏭 Standorte und Relevanz: Betroffen sind die Werke in Gelsenkirchen in Nordrhein-Westfalen und im nordfranzösischen Isbergues. Bis zu 1.200 Arbeitsplätze gelten dadurch zusätzlich als gefährdet. Das Material ist zentral für Transformatoren, den Netzausbau und die Windkraft und damit für die Energieinfrastruktur Europas.
🧩 Hintergrund: Thyssenkrupp Steel Europe befindet sich in einem tiefgreifenden Umbau. Bereits seit Monaten werden bis zu 11.000 Stellen abgebaut oder ausgelagert, parallel laufen Verhandlungen über einen Verkauf des Stahlgeschäfts an Jindal Steel International. Die Branche leidet unter hohen Energiekosten, schwacher Nachfrage und aggressiver Importkonkurrenz.
🌐 Regulierungslücke: Besonders problematisch ist, dass Elektrostahl derzeit nicht unter die von der EU geplanten Verschärfungen bei zollfreien Stahlkontingenten fällt. Die Importe sind in den vergangenen drei Jahren stark gestiegen. Thyssenkrupp zählt neben Polens Stalprodukt zu den letzten verbliebenen europäischen Anbietern in diesem Spezialsegment.
📉 Preisdruck und Umlenkungen: Das Management verweist auf eine durch asiatische Anbieter ausgelöste Preiserosion sowie auf eine Umlenkung von Mengen nach Europa infolge strengerer US-Zölle. Handelsstatistische Daten zeigen, dass sich die GOES-Importe binnen drei Jahren verdreifacht haben und im Jahr 2025 bereits um etwa 50 Prozent gestiegen sind. Die Unternehmensführung fordert wirksamen Marktschutz, um faire Wettbewerbsbedingungen für ein strategisch wichtiges Produkt sicherzustellen.
⚙️ Betriebsplan: Nach Konzernangaben werden die Werke in Gelsenkirchen und Isbergues ab Mitte Dezember vollständig heruntergefahren. Anschließend soll Isbergues ab Januar 2026 für mindestens vier Monate nur mit halber Kapazität laufen.
🔭 Ausblick: Der Schritt ist ein Warnsignal für die industrielle Substanz Europas. Für Politik und EU-Behörden stellt sich die Frage, ob bestehende Schutzinstrumente Lücken schließen und Standorte mit hoher Wertschöpfung verlässlich absichern. Für Thyssenkrupp und die betroffenen Regionen bedeutet die Pause kurzfristig Unsicherheit für 1.200 Beschäftigte. Mittel- bis langfristig hängt viel davon ab, ob die Handelspolitik nachschärft, der Verkauf des Stahlgeschäfts geordnet gelingt und die Nachfrage im Netz- und Transformatorensektor wieder tragfähige Perspektiven eröffnet.
🗨️ Kommentar der Redaktion: Europas energie- und sicherheitsrelevante Wertschöpfung darf nicht in die Abhängigkeit von Importen gedrängt werden. Wer die Energiewende ernst nimmt, muss die heimische Produktion strategischer Materialien stabilisieren und Schutzlücken zügig schließen. Laxer Marktzugang für Dumpingware unterminiert industrielle Planung und verteuert am Ende die Infrastruktur. Die Forderung nach wirksamem Marktschutz ist legitim und überfällig. Diese Produktionspause ist ein Weckruf, Standortpolitik an den Realitäten des globalen Wettbewerbs auszurichten.


