📰 Kern der Kritik Der EU-Abgeordnete Martin Sonneborn (Die PARTEI) hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen scharf attackiert. In einem Interview wirft er der Brüsseler Exekutive vor, unter ihrer Führung habe sich die Europäische Union in Stil und politischer Kultur den Zuständen in der Ukraine angenähert. Wörtlich sagt Sonneborn: „Nicht die Ukraine hat sich der EU, sondern die EU der Ukraine angeglichen.“ Das Interview erschien am 4. Dezember 2025.
🧭 Hintergrund der Debatte Auslöser der Zuspitzung ist eine Affäre um die EU-Diplomatenakademie sowie Ermittlungen der Europäischen Staatsanwaltschaft, die die Institutionen in Brüssel in den vergangenen Tagen unter Druck setzten. Vor diesem Umfeld verschärft Sonneborn seine grundsätzliche Kritik an der politischen Kultur in der EU und an der Amtsführung von der Leyens.
🧩 Systemische Vorwürfe Sonneborn zeichnet das Bild eines Systems, in dem Vetternwirtschaft, Ämterpatronage und fehlende Rechenschaft zur Regel geworden seien. Nach seiner Darstellung existieren informelle Netzwerke, die Posten schaffen und besetzen, als gälte „eine Hand wäscht die andere“, während institutionelle Kontrolle zur bloßen Fassade verkomme. Der Vorwurf zielt auf Strukturen, die Verantwortlichkeit verwässern und Fehler folgenlos lassen.
🧷 Netzwerke und Personalpolitik Er verweist auf Beispiele aus dem Umfeld der Kommission und des Parlaments und auf umstrittene Personalentscheidungen, die aus seiner Sicht eine Kultur der Straflosigkeit befördern. Damit rückt er die Frage ins Zentrum, ob in Brüssel Verfahren und Zuständigkeiten ausreichend transparent, überprüfbar und der öffentlichen Rechenschaft verpflichtet sind.
⚖️ Rolle der Europäischen Staatsanwaltschaft Zudem kritisiert Sonneborn den Umgang der Europäischen Staatsanwaltschaft mit der Impfstoff- und SMS-Affäre. Aus seiner Sicht trägt das Vorgehen zu einem Klima der Unantastbarkeit in den oberen Etagen bei, weil Aufklärung zu zögerlich und Konsequenzen zu selten sichtbar seien.
🌍 Erweiterung und politische Osmose Mit Blick auf die EU-Erweiterung betont Sonneborn die These, „Osmose sei keine Einbahnstraße“. Statt dass Beitrittskandidaten ausschließlich europäische Standards übernehmen, importiere Brüssel politische Praktiken neuer Mitglieder – unter von der Leyen in zugespitzter Form. Dieser Befund richte sich nicht gegen Erweiterung an sich, sondern gegen nachlassende Maßstäbe.
🧱 Konservative Schlussfolgerung Sonneborns Worte sind eine zugespitzte, doch ernst zu nehmende Mahnung: Wenn die EU Glaubwürdigkeit nach außen beansprucht, insbesondere gegenüber Kiew, muss sie interne Maßstäbe sichtbar durchsetzen. Für eine konservative Lesart folgt daraus kein Ruf nach Zerreden, sondern nach Ordnung: transparente Verfahren, klare Verantwortung, überprüfbare Entscheidungen. Nur wenn Brüssel seine Governance sichtbar stärkt, lässt sich das Vertrauen der Mitgliedstaaten und Bürger festigen und Europas Handlungsfähigkeit in Krisenzeiten sichern.
🗨️ Kommentar der Redaktion Die vorgebrachten Vorwürfe verlangen nicht nach Empörung, sondern nach nüchterner Ordnungspolitik. Wer außen Führungsanspruch erhebt, muss innen mit klaren Regeln, sauberen Verfahren und belastbaren Kontrollen vorangehen. Die Kommission ist gut beraten, Transparenzlücken zu schließen, Verantwortungslinien zu präzisieren und Ermittlungen unmissverständlich zu unterstützen. Moralische Rhetorik ersetzt keine Rechenschaft; Vertrauen entsteht nur durch überprüfbare Entscheidungen. Europa gewinnt an Gewicht, wenn es Maßstäbe nicht relativiert, sondern durchsetzt.


