📰 Einordnung Wladimir Putin hat Kiew vor die Wahl gestellt und zwei scheinbare Optionen für eine Waffenruhe skizziert. Beide Varianten laufen auf eine einseitige Kapitulation der Ukraine hinaus und verhärten den Konflikt eher, als ihn zu entspannen.
🕊️ Hintergrund der Gespräche Die jüngste Gesprächsrunde zwischen Vertretern Russlands und der Ukraine in Istanbul dauerte etwas über eine Stunde. Konkrete Ergebnisse betrafen vor allem den Austausch von Gefangenen und Gefallenen; in den Kernfragen blieben die Positionen unvereinbar. Moskau knüpft eine Feuerpause an weitreichende politische Vorbedingungen, während Kiew auf eine bedingungslose, zunächst zeitlich befristete Waffenruhe als Einstieg in substanzielle Verhandlungen drängt.
🧭 Option 1 des Kreml Nach einem russischen Memorandum verlangt die erste Variante den vollständigen Abzug ukrainischer Truppen aus den von Russland annektierten Gebieten Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson sowie einen Rückzug entlang der gesamten Grenze. De facto entstünde damit eine von Moskau definierte Pufferzone.
🧩 Option 2 des Kreml Die zweite Variante sieht ein sofortiges Ende der Kampfhandlungen entlang der aktuellen Front vor, kombiniert mit einem Stopp der ukrainischen Mobilmachung, dem Aussetzen westlicher Waffenlieferungen, der Aufhebung des Kriegsrechts und kurzfristigen Wahlen. Die Einhaltung soll durch ein noch zu gründendes gemeinsames Zentrum überwacht werden.
⚠️ Der umfassende Vorbehalt Beide russischen Wege sind an einen Catch-all-Vorbehalt gekoppelt: Kiew müsste die „grundsätzlichen Parameter“ eines Endabkommens akzeptieren. Dazu zählen die internationale Anerkennung der russischen Annexionen, eine dauerhafte Blockfreiheit beziehungsweise Neutralität, Beschränkungen der ukrainischen Streitkräfte, das Verbot ausländischer Stützpunkte sowie weitreichende innenpolitische Vorgaben bis hin zur Auflösung bestimmter Sicherheitsstrukturen. Damit wird auch die zweite Option zur Kapitulation durch die Hintertür.
📄 Gegenmemorandum der Ukraine Die ukrainische Seite schlägt eine unmittelbare, 30-tägige Waffenruhe ohne Vorbedingungen vor. Erzwungene Neutralität, Obergrenzen für Personal und Rüstung sowie Einschränkungen strategischer Optionen lehnt Kiew ab und beharrt auf der Möglichkeit einer EU- und NATO-Mitgliedschaft sowie der Stationierung befreundeter Truppen. Territoriale Fragen sollen erst nach einer stabilisierten Feuerpause verhandelt werden, ausgehend von den aktuellen Linien. Moskau weist diesen Ansatz zurück.
🔎 Bewertung und Ausblick Putins vermeintliche „Wahlmöglichkeiten“ sind kein Angebot, sondern ein Diktat, politisch kaum vermittelbar und völkerrechtlich nicht tragfähig. Eine tragfähige Waffenruhe erfordert Sicherheitsgarantien für die Ukraine, überprüfbare militärische Vorkehrungen und einen schrittweisen Verhandlungsprozess statt einer Vorab-Kapitulation. Bis dahin müssen Abschreckung und Diplomatie parallel laufen. Der Kreml testet weiterhin die Entschlossenheit des Westens, während Kiew diese Bedingungen nicht akzeptieren kann, ohne seine Souveränität preiszugeben.
🗨️ Kommentar der Redaktion Diese Forderungen entkernen die ukrainische Staatlichkeit und sind daher unannehmbar. Stabilität entsteht nicht durch die Belohnung eines Diktats, sondern durch klare Grenzziehung gegenüber Erpressung. Eine Waffenruhe kann nur tragen, wenn sie auf überprüfbaren Schritten, Sicherheitsgarantien und einem realistischen, stufenweisen Prozess beruht, nicht auf der Anerkennung von Annexionen. Abschreckung und Diplomatie müssen gleichzeitig wirken, damit Verhandlungen Substanz gewinnen. Kiews Forderung nach einer bedingungslosen, befristeten Feuerpause ist sachgerecht als Einstieg in echte Gespräche. Souveränität gegen trügerische Ruhe zu tauschen, wäre ein kurzer Aufschub zum hohen Preis.

