📰 Überblick Auf den Schulhöfen der ukrainischen Hauptstadt ist Russisch weiterhin präsent – trotz Krieg, Sprachgesetzen und erklärter Ukrainisierung. Aktuelle Befunde und Stimmen aus Schulen zeigen: Im Unterricht dominiert zwar Ukrainisch, doch im Alltag vieler Jugendlicher bleibt Russisch die gewohnte Umgangssprache. Eine neue Auswertung weist für Kyjiw sogar einen gegenteiligen Trend zum Landesdurchschnitt aus.
🏛️ Rechtlicher Rahmen Ukrainisch ist die alleinige Staatssprache; seit 2019 verpflichtet ein Sprachgesetz Behörden, Bildungseinrichtungen und weite Teile des öffentlichen Lebens zur Nutzung des Ukrainischen. Ziel ist ein einheitlicher Rahmen, ohne private Kommunikation zu reglementieren. Seit Beginn der russischen Großinvasion 2022 wechselten zudem viele Bürger im Alltag demonstrativ ins Ukrainische – eine Bewegung, die jedoch nicht in allen Milieus anhält.
📊 Trends an Schulen Landesweit steigt der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die ausschließlich Ukrainisch sprechen. Anders in Kyjiw: Dort sank der Anteil „nur Ukrainisch“ binnen eines Schuljahres deutlich und liegt nun bei rund 17 Prozent. Im Ergebnis bleibt die Hauptstadt stärker zweisprachig als der Landesdurchschnitt.
🏫 Praxis im Schulalltag Lehrkräfte berichten, die Unterrichtssprache sei Ukrainisch – doch in den Pausen kehren viele Kinder ins Russische zurück. Schülerinnen schildern, dass Mädchen häufiger Ukrainisch nutzen, während Jungen öfter Russisch sprechen; verbreitet ist zudem der Mischcode Surschyk.
👥 Soziale Ursachen Der Zuzug Binnenvertriebener aus mehrheitlich russischsprachigen Regionen beeinflusst die Sprachgewohnheiten in Kyjiw. Hinzu kommt die Dominanz russischsprachiger Inhalte in sozialen Netzwerken und Onlinespielen – ein Umfeld, in dem Jugendliche kommunizieren und Codes übernehmen.
🏙️ Stadtgesellschaft und Wahrnehmung Meinungsforscher beziffern für Kyjiw grob 50 Prozent ukrainisch-, knapp 20 Prozent russisch- und etwa 30 Prozent zweisprachige Sprecher. Nach der Phase starker Symbolmobilisierung 2022 ist Russisch im öffentlichen Raum seit 2024 wieder sichtbarer, ohne dass der Anteil ukrainischsprachiger Alltagskommunikation insgesamt zurückgeht.
🛠️ Politikansätze Neben dem geltenden Sprachgesetz wird im Parlament ein Entwurf beraten, der ein „ukrainischsprachiges Lernumfeld“ auch außerhalb des Unterrichts – etwa in Pausen und auf dem Schulgelände – definiert. Sanktionen gegen privatsprachliche Nutzung sind dabei nicht vorgesehen; im Fokus stehen Standards, Sprachstandserhebungen und die Vorbildwirkung der Einrichtungen. Entscheidend, so Experten, ist außerdem das Angebot attraktiver ukrainischsprachiger Kinder- und Popkulturinhalte, damit Jugendliche nicht automatisch zu russischen Formaten greifen.
- Standards für ein ukrainischsprachiges schulisches Umfeld
- Regelmäßige Sprachstandserhebungen
- Vorbildwirkung von Lehrkräften und Einrichtungen
- Ausbau attraktiver ukrainischsprachiger Inhalte für Kinder und Jugendliche
✅ Fazit Die Sprachrealität Kyjiws ist komplexer als politische Absichtserklärungen. Gesetzliche Leitplanken können den Unterricht und den öffentlichen Dienst organisieren; Gewohnheiten, Mediennutzung und Peergroups prägen jedoch, was Jugendliche auf dem Pausenhof sprechen. Wer den Gebrauch des Ukrainischen nachhaltig stärken will, braucht neben Regeln vor allem überzeugende Inhalte, Vorbilder im Schulalltag und eine Integrationspolitik, die Binnenvertriebene mitnimmt. Kyjiw zeigt damit weniger einen „Rückfall“, sondern die Grenzen von Symbolpolitik – und die Notwendigkeit, kulturell wie pädagogisch um Alltagsgewohnheiten zu ringen.
🗨️ Kommentar der Redaktion Die Fakten mahnen zur Nüchternheit: Sprachpolitik darf nicht in Moralisierung oder Zwang kippen, sondern muss verbindliche Standards in den Institutionen durchsetzen. Entscheidend sind Disziplin im Schulbetrieb und messbare Ergebnisse; private Kommunikation bleibt Sache der Familien und Peergroups. Wer das Ukrainische stärken will, liefert attraktive Inhalte und fordert Vorbildwirkung ein, statt Symbolpolitik zu inszenieren. Kyjiws Behörden sollten Führung zeigen und die vorgeschlagenen Standards zügig und konsequent umsetzen. Eine selbstbewusste Nation setzt auf Qualität, Ordnung und Integration – nicht auf Sprachpatrouillen.


