DAS NEUSTE

🌍 Machtvermittler am Bosporus: Wie Erdogan zum gefragten Gesprächspartner der Weltpolitik wurde

📰 Einleitung Ob Gaza-Verhandlungen oder Gipfeldiplomatie – kaum ein heikler Dossierstapel, in dem Recep Tayyip Erdogan derzeit nicht eine Rolle spielt. Von Donald Trump bis Friedrich Merz betonen Politiker ihre Nähe zum türkischen Präsidenten; das ist kein Zufall, sondern Ergebnis kalkulierter Machtpolitik. Das NZZ-Format «Akzent» skizziert, warum Ankara und sein Präsident in dieser Phase der Weltpolitik so stark nachgefragt sind: Erdogan ist bei wichtigen Gesprächen dabei – und er nutzt diese Sichtbarkeit konsequent.

🌍 Geopolitische Nahtstelle Die Türkei liegt an der NATO-Südostflanke, kontrolliert den Zugang zum Schwarzen Meer, grenzt an den Nahen Osten und fungiert zugleich als Energiedrehscheibe und Migrationsschleuse Europas. Erdogan verdichtet diese Lage zu einer Transaktionsstrategie: maximale Bewegungsfreiheit zwischen den Blöcken, viele Gesprächskanäle, wenige Selbstbindungen. So verbindet er die Anliegen einer regionalen Mittelmacht – Grenzsicherung, Steuerung von Fluchtbewegungen, Einfluss in den Nachbarschaften – mit dem Anspruch, global als Türöffner aufzutreten. Der Zulauf aus Washington, europäischen Hauptstädten und der arabischen Welt speist sich weniger aus Sympathie als aus Nützlichkeit, die Erdogan in politisches Kapital verwandelt.

🕊️ Gaza als Hebel Ankara pflegt seit Jahren Kanäle zu Akteuren, die westlichen Regierungen verschlossen sind. In der jüngsten Gaza-Diplomatie nutzte Erdogan diese Kontakte, um eine US-getriebene Feuerpause- und Geiselformel mit vorzubereiten – und wandelte dies in eine Machtdemonstration der Türkei um. Das Ergebnis: öffentliches Lob aus Washington und neue Aussicht auf Gegenleistungen in Sicherheits- und Rüstungsfragen. Damit festigt Ankara den Ruf als unverzichtbarer Vermittler, der mit allen Seiten spricht.

⚖️ Balanceakt als Methode Erdogan hält die Verbindung in beide Richtungen: als NATO-Mitglied gen Westen, zugleich mit Gesprächsfäden nach Moskau, Teheran und islamistischen Gruppen. Für Partner, die schnelle Ergebnisse suchen, ist dieser Kontaktknoten attraktiv; aus westlicher Sicht entsteht damit jedoch Abhängigkeit von Ankaras Gutdünken. Sichtbarkeit, Nähe zu Entscheiderkreisen und die Bereitschaft, heikle Dossiers zu verknüpfen, verschaffen Ankara Verhandlungsvorteile.

🎭 Innenpolitische Inszenierung Freundschaftsbeteuerungen ausländischer Spitzenpolitiker werden innenpolitisch verwertet – als Beleg für Erdoğans Führungsstatur. Außenpolitische Deals stabilisieren das Bild des starken Staatsmanns und nähren den Anspruch, dass ohne Ankara in der Region wenig geht. So zahlt Außenpolitik direkt auf die innenpolitische Legitimation ein.

🧭 Prüfstein westlicher Realpolitik Erdogan wird nicht gefeiert, weil er andere Werte vertritt, sondern weil er Ergebnisse liefert, die viele Akteure dringend brauchen. Das macht ihn zum Mann der Stunde – und zum Test für nüchterne Politikgestaltung im Westen. Wer Ankara jetzt aufwertet, sollte den Preis kennen: klare rote Linien, Transparenz über Gegenleistungen und weniger moralische Blankoschecks. Ohne diese Disziplin droht aus kurzfristiger Problemlösung eine langfristige Abhängigkeit – genau das Terrain, auf dem Erdogan stark ist.

Fazit Ankara nutzt die geopolitische Lage als Hebel, kombiniert regionale Interessen mit globalem Türöffner-Anspruch und kapitalisiert auf der Nützlichkeit für andere. Die daraus folgende Nachfrage erweitert Erdoğans Spielraum, verlangt aber von westlichen Partnern nüchterne Gegensteuerung: Bedingungen benennen, Zielkonflikte offenlegen und Abhängigkeiten begrenzen. Nur so lässt sich die Balance zwischen kurzfristigem Nutzen und langfristiger Souveränität wahren.

🗨️ Kommentar der Redaktion Realpolitik verlangt klare Kante: Wer von Ankara Ergebnisse will, muss Konditionen definieren und sie durchsetzen. Blankoschecks unter dem Vorwand der Dringlichkeit schwächen die eigene Position und stärken Ankaras Hebel. Nützlichkeit darf nicht mit Nähe verwechselt werden; Partnerschaft braucht überprüfbare Gegenleistungen und rote Linien. Europa und die USA sollten die Gesprächskanäle nutzen, aber ihre Abhängigkeit aktiv begrenzen. Wer das versäumt, überlässt die strategische Regie einem Akteur, der Transaktionen beherrscht – nicht Wertegemeinschaften.

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