📰 Studie zeigt algorithmische Schieflage Eine Untersuchung der Universität Potsdam mit Unterstützung der Bertelsmann-Stiftung legt nahe, dass große Plattformen politische Inhalte nicht neutral ausspielen. Beiträge von Parteien am linken und rechten Rand werden jungen Nutzerinnen und Nutzern häufiger vorgeschlagen als Botschaften der politischen Mitte. Für die demokratische Wettbewerbsordnung ist das brisant, denn Reichweite in Feeds entscheidet über Erstkontakte und Agenda-Setting.
🔎 Untersuchungsrahmen Analysiert wurde der Bundestagswahlkampf 2025 auf TikTok, Instagram, X und YouTube anhand von 268 simulierten Nutzerprofilen im Alter von 21 bis 25 Jahren. Erfasst wurde, wie oft Videos offizieller Partei-Accounts ohne aktives Zutun der Nutzerinnen und Nutzer in den Feeds landeten.
⚙️ Intransparente Plattformlogiken Die festgestellten Unterschiede lassen sich nicht hinreichend durch Likes, Aufrufe oder Kommentare erklären. Die Logiken der Plattformen bleiben intransparent. Für die politische Kommunikation bedeutet das: Wer nicht „algorithmengerecht“ sendet, verliert Sichtbarkeit – selbst bei hoher Interaktion.
📊 Kernzahlen zur Sichtbarkeit Trotz des größten Veröffentlichungsanteils der SPD mit 24,1 Prozent erschien ihr Content nur zu 14,1 Prozent in den Feeds der Test-Accounts. Die Union kam bei 17,1 Prozent der Veröffentlichungen lediglich auf 4,9 Prozent Sichtbarkeit. Profitiert haben Randparteien: Die Linke steigerte ihren Anteil an vorgeschlagenen Videos auf 27,6 Prozent bei nur 9,7 Prozent Beitragsanteil; die AfD erreichte bei 21,5 Prozent Beitragsanteil 37,4 Prozent Sichtbarkeit.
🧭 Tonalität und Gewinner Beiträge mit kritischem oder informierendem Ton wurden generell eher ausgespielt als humoristisch‑emotionale Inhalte. Auch das Bündnis Sahra Wagenknecht zählte zu den Gewinnern, wobei konkrete Anteile je nach Plattform und Phase variieren.
⚖️ Relevanz für die Wettbewerbsordnung Wenn intransparente Algorithmen Reichweite verteilen, ohne verlässliche Kriterien offenzulegen, leidet die Fairness des Wettbewerbs und damit das Vertrauen in den Prozess. Die algorithmisch erhöhte Präsenz der Ränder verzerrt den offenen Marktplatz der Ideen zulasten der Mitte.
🎯 Lehren für Mitte-Parteien Professionelle Kampagnen und hohe Interaktionen garantieren keine Sichtbarkeit. Wer junge Wählerinnen und Wähler erreichen will, muss Inhalte liefern, die algorithmische Präferenzen bedienen, ohne sich dem schrillen Ton anzupassen.
🔍 Transparenz und Auditrechte Geboten sind Transparenzanforderungen an Plattformen, klare Auditrechte für unabhängige Forschung und eine konsequente Ausrichtung politischer Kommunikation an Sachlichkeit, Klarheit und Respekt. Demokratie braucht den offenen Marktplatz der Ideen – nicht den Blackbox‑Vorsprung für die Lautesten.
🗨️ Kommentar der Redaktion Die Befunde sind ein Warnsignal: Private Plattformlogiken dürfen nicht bestimmen, welche politischen Stimmen Gehör finden. Wenn Algorithmen die Ränder nach vorne spülen, wird die demokratische Mitte systematisch benachteiligt. Nötig sind verbindliche Offenlegungspflichten und belastbare Auditrechte, damit Reichweite nicht zum Zufallsprodukt einer Blackbox wird. Parteien sollten der Versuchung widerstehen, Lautstärke mit Relevanz zu verwechseln, und ihre Kommunikation an Sachlichkeit und Respekt ausrichten. Die Demokratie lebt von Ordnung, Maß und Ausgleich – nicht vom schrillen Takt der Plattformen.


