📰 Zwischen Prinzipien und Pragmatismus Die China-Politik der Bundesregierung oszilliert zwischen wertebasierter Kritik und nüchterner Interessenabwägung. Ein Teil der Ampel fordert klare Kante gegenüber Peking, der andere drängt auf belastbare Gesprächskanäle aus wirtschaftlicher Vernunft. Im Kern geht es um Sicherheit, Wohlstand und technologische Souveränität durch belastbare Lieferketten, regelbasierten Handel und verlässliche Partner. Berlin sucht einen Kurs, der Prinzipien schützt, ohne Brücken zu verbrennen.
🧭 Strategischer Rahmen Die Bundesregierung verankert in ihrer erstmals vorgelegten China-Strategie den Dreiklang aus Partner, Wettbewerber und systemischem Rivalen. Leitmotiv ist „De-Risking statt De-Coupling“: kritische Abhängigkeiten verringern, wirtschaftliche Beziehungen nicht pauschal kappen. Der Ansatz umfasst Diversifizierung von Lieferketten, Schutz kritischer Infrastruktur, technologiepolitische Weichenstellungen und engere europäische Koordinierung. Zugleich benennt die Strategie Pekings Druck im Indopazifik, Menschenrechtsverletzungen und staatliche Eingriffe in Märkte und Wettbewerb. Kooperation bleibt möglich, wenn Regeln gelten; Entschlossenheit gilt dort, wo deutsche und europäische Interessen berührt sind.
🏛️ Politische Linien in Berlin Im Kanzleramt dominiert die Sorge vor ökonomischen Kollateralschäden, sollte der Dialog abreißen. Das Rezept: Gesprächsfähigkeit wahren, wirtschaftliche Kontakte nutzen, Verwundbarkeiten reduzieren. Im Auswärtigen Amt prägt die sicherheits- und wertepolitische Perspektive die Linie: klare Botschaften zu Menschenrechten, Taiwan und unfairen Handelspraktiken, eng an EU-Partnern und transatlantischen Verbündeten orientiert. Ergänzend meldet sich eine liberal-konservative Stimme, die wirtschaftliche Offenheit bejaht, zugleich aber robuste Schutzmechanismen gegen sensiblen Technologietransfer und sicherheitsrelevante Abhängigkeiten verlangt.
💼 Wirtschaftliche Interessen Die deutsche Industrie bleibt in China engagiert – als Absatzmarkt, Produktionsstandort und Innovationsökosystem. Gleichzeitig sind Risiken sichtbar: Cluster bei Vorprodukten, wachsender Wettbewerbsdruck staatlich geförderter Konzerne und geopolitische Spannungen. Der geforderte Kurs von Diversifizierung und Resilienz ist keine Kür, sondern Versicherung gegen Schocks. Wer heute Märkte in Asien, Amerika und Europa ausbaut, gewinnt morgen Spielräume gegenüber Peking.
🔐 Sicherheit und Technologie Exportkontrollen, Investitionsprüfungen und Schutzmaßnahmen für Schlüsseltechnologien sollen gezielter greifen, ohne den Standort zu schwächen. Entscheidend ist die Differenzierung: Sicherheitskritisches muss geschützt werden; wo Markt und Kooperation Wettbewerb stärken, soll Offenheit bestehen. Eine wehrhafte Handels- und Technologiepolitik lässt sich mit wirtschaftlicher Offenheit vereinbaren – vorausgesetzt, Regeln sind klar und werden durchgesetzt.
🇪🇺 Europäischer Rahmen Wirkung entfaltet Deutschlands China-Politik nur im Verbund. Ob Handelsschutzinstrumente, Standards für kritische Infrastruktur oder Industrie- und Klimapolitik – der Hebel liegt in Brüssel. Berlin muss Linie zeigen und zugleich EU-Mehrheiten organisieren, insbesondere bei Anti-Subventionsverfahren, Gegengewichtsmaßnahmen und gemeinsamer Beschaffung strategischer Rohstoffe.
🗣️ Dialog unter Bedingungen Gesprächskanäle zu Peking sind kein Selbstzweck. Sie lohnen sich, wenn Prioritäten klar gesetzt werden: faire Wettbewerbsbedingungen, Transparenz, verlässliche Zusagen und überprüfbare Ergebnisse. Der Dialog ist Mittel, kein Ersatz für Politik. Werden rote Linien berührt – im Indopazifik, bei erpresserischer Wirtschaftspolitik oder in der Forschungssicherheit –, sind klare Signale und glaubwürdige Folgen erforderlich.
🎯 Fazit Deutschland braucht eine China-Politik ohne Illusionen und mit konsequenter Ordnung der eigenen Interessen: Erstens Abhängigkeiten abbauen und Resilienz stärken. Zweitens Schlüsseltechnologien und kritische Infrastruktur schützen. Drittens europäisch handeln, um wirtschaftliches Gewicht in politische Hebel zu übersetzen. Viertens den Dialog kanalisieren, nicht romantisieren – Kooperation, wo Regeln gelten; Gegenwehr, wo sie gebrochen werden. Dafür gilt: weniger Improvisation, mehr Prioritäten – und die Bereitschaft, Prinzipien durchzuhalten, auch wenn es wirtschaftlich unbequem wird. So wird die Bundesrepublik gegenüber Peking berechenbar, belastbar und souverän.
🗨️ Kommentar der Redaktion Ein Kurs der Standhaftigkeit ist überfällig. Wer Freiheit, Wohlstand und Souveränität sichern will, darf sich nicht in Abhängigkeiten einrichten. De-Risking ist kein Schlagwort, sondern Pflicht – mit klaren Schutzklauseln für Schlüsseltechnologien und konsequenter EU-Ausrichtung. Dialog ja, aber nur auf Basis überprüfbarer Zusagen und mit spürbaren Konsequenzen bei Regelbruch. Deutschland braucht weniger moralische Gesten und mehr wehrhafte Realpolitik. Wer Prinzipien nie gegen Vorteile tauscht, wahrt Respekt und Handlungsfähigkeit.


