🌍 Zollstreit setzt EU unter Druck Die Europäische Union gerät im globalen Zollstreit zunehmend zwischen die Fronten. Während die USA Zölle auf ein breites Spektrum europäischer Produkte erheben und weitere Schritte in Aussicht stellen, sucht China demonstrativ die Nähe zu Brüssel. Nach Einschätzung der EU-Kommission sind bereits große Teile der Exporte in die Vereinigten Staaten betroffen – mit spürbaren Folgen für Industrie, Handel und Investitionen. Zugleich versucht Peking, das entstandene Vakuum für politische und wirtschaftliche Annäherung zu nutzen.
🧭 Verhandeln und vorsorgen Die EU setzt offiziell auf eine Verhandlungslösung mit Washington, bereitet aber parallel Gegenmaßnahmen vor. In Brüssel kursieren Pläne für zusätzliche Zölle auf US-Waren in dreistelliger Milliardenhöhe, falls die Gespräche scheitern. Bis Anfang Juli laufen Gespräche über eine Atempause sowie über Umfang und Zielrichtung der US-Zölle; der politische Druck bleibt hoch. Die Kommission betont, sie werde keinem schlechten Deal zustimmen.
🏭 Betroffene Schlüsselbranchen Faktisch trifft der US-Kurs zentrale europäische Branchen. Neben Stahl und Aluminium steht der Automobilsektor im Fokus; zusätzlich drohen Abgaben auf Pharmaprodukte und Halbleiter. Nach Kommissionsangaben sind derzeit rund 70 Prozent der EU-Ausfuhren in die USA von den Maßnahmen erfasst; bei einer Ausweitung könnten es bis zu 97 Prozent werden.
🤝 Peking sucht Nähe zu Brüssel Peking sendet Signale der Öffnung und sucht die Nähe zu Brüssel. In Aussicht gestellt werden hochrangige Treffen mit EU-Spitzen, zudem sind Gespräche über Handel, grüne Technologien und Digitalisierung angekündigt. Der Kurs zielt auf politische und wirtschaftliche Annäherung, während die USA den Druck erhöhen.
🛡️ Brüssels strategische Optionen Brüssel prüft seine strategischen Optionen. Sie reichen von temporären Gegenabgaben bis zur Beschleunigung von Freihandelsgesprächen mit Indien, Indonesien, Thailand und Malaysia. Ziel ist es, Handlungsfähigkeit zu sichern und Verhandlungsspielräume zu erweitern.
🔎 Nüchternheit und Berechenbarkeit Die Lage verlangt Nüchternheit statt Symbolpolitik. Europa muss zugleich widerstandsfähiger und berechenbarer werden: mit klaren roten Linien in den Gesprächen mit Washington, einer konsequenten Diversifizierung der Absatz- und Beschaffungsmärkte sowie belastbaren Handelsabkommen jenseits der USA und Chinas. Industrieseitig heißt das, Standortbedingungen zu verbessern, Schlüsseltechnologien zu schützen und Abhängigkeiten zu reduzieren. Wer die EU in die Enge treiben will, sollte auf eine Union treffen, die ihre Interessen definiert, koordiniert und durchsetzt – transatlantisch, aber eigenständig; offen für China, aber ohne Naivität.
🗨️ Kommentar der Redaktion Die EU darf sich nicht in Symbolpolitik verlieren, sondern muss ihre Interessen nüchtern und robust verteidigen. Gegenüber Washington sind klare rote Linien und notfalls spürbare Gegenabgaben erforderlich, wenn Verhandlungen keine verlässlichen Ergebnisse liefern. Peking ist als Gesprächspartner willkommen, doch Annäherung darf nicht mit strategischer Abhängigkeit verwechselt werden. Entscheidend sind belastbare Handelsabkommen und die Stärkung des industriellen Standorts in Europa. Wer Verlässlichkeit fordert, muss sie auch bieten – durch stringente Prioritäten, konsequente Umsetzung und eine Politik, die Europas Wettbewerbsfähigkeit an erste Stelle setzt.