Berlin. Die Insolvenzwelle rollt – und sie trifft den Mittelstand ins Mark. Bau, Handel, Auto-Zulieferer, Maschinenbau, Logistik: Wer hohe Energiekosten, steigende Lohnnebenkosten, Zinsdruck und Nachfrageflaute gleichzeitig schultern muss, steht 2025/26 mit dem Rücken zur Wand. Die Folge 2026: mehr Betriebsschließungen, mehr Arbeitslose, mehr staatliche Stützräder – und eine gefährliche Erosion der industriellen Substanz.
📉 Lage 2025: Warum die Pleitezahlen steigen
- Zinsen & Liquidität: Nach Jahren der Nullzinsen schnüren höhere Finanzierungskosten die Margen ab. Überbrückungskredite aus der Krisenzeit laufen aus – Zombiebetriebe fallen reihenweise aus.
- Energie & Abgaben: Industriestrom bleibt teuer, Netzentgelte steigen, CO₂-Kosten drücken. Lohnnebenkosten fressen jeden Produktivitätsschub auf.
- Nachfrage & Preise: Privatkonsum schwach, B2B-Investitionen werden geschoben. Entweder Preiszugeständnisse – oder Auftragsverlust.
- Wettbewerb aus China: Preisbrecher bei Maschinen, Chemie-Vorprodukten, E-Komponenten. Der Mittelstand verliert Preismacht.
- Bürokratie-Overkill: Berichtspflichten, Genehmigungen, EU-Regeln – Zeit und Cash laufen davon, bevor die Ware das Werk verlässt.
Hotspots:
- Bau & Projektierer: Zinsen + Material + Auftragsstops = Kettenreaktionen über Subunternehmer.
- Autozulieferer (Tier-2/3): Verzögerte OEM-Abrufe, E-Transition ohne Cash-Puffer.
- Stationärer Handel/Innenstadt: Mieten hoch, Frequenz runter, Online frisst Marge.
- Metall/Chemie/Glas: Energieintensiv, global austauschbar – gefährdete Standorte.
- Logistik: Diesel, Maut, Zinsen, schwache Frachtpreise – man fährt auf Kante.
🧨 Arbeitsmarkt: Von „Fachkräftemangel“ zu Friktion
Unternehmen stoppen Neueinstellungen, Leihkräfte gehen zuerst, dann Kurzarbeit, dann Transfergesellschaft – und am Ende die Kündigungswelle.
Regional riskant: NRW (Bau/Industrie), Baden-Württemberg & Bayern (Zulieferer/Maschinenbau), Sachsen/Thüringen (Automotive-Cluster).
🔭 Prognose 2026: Drei Szenarien für Insolvenzen & Arbeitslosigkeit
(modellierte Bandbreiten, gerundet)
🟨 Basisszenario
- Unternehmensinsolvenzen (D): ~26.000–30.000 Fälle
- Arbeitslosenquote (Jahresschnitt): ~6,6–7,0 %
- Treiber: Zinsen bleiben erhöht, Energie seitwärts, Konsum zäh, Export verhalten.
🟥 Stressszenario
- Unternehmensinsolvenzen: ~31.000–36.000
- Arbeitslosenquote: ~7,2–7,8 %
- Treiber: Exportschwäche, neue Energie-/Lieferkettenschocks, weiter fallende Bauinvestitionen.
🟩 Entspannungsszenario
- Unternehmensinsolvenzen: ~22.000–25.000
- Arbeitslosenquote: ~6,1–6,4 %
- Treiber: spürbare Entlastung bei Lohnnebenkosten/Energie, beschleunigte Genehmigungen, Investitionsimpulse.
Besonders gefährdet 2026: Bau & Ausbaugewerbe, Projektentwicklung, Tier-2-Zulieferer, stationärer Non-Food-Handel, energieintensive Grundstoffsegmente. Relativ robust: Wehrtechnik, Bahn/ÖPNV-Zulieferungen, Energietechnik, Medizintechnik, Food-Nahversorgung, Digitalisierung/Cyber.
🧰 Was jetzt helfen würde (und zwar sofort)
Für die Politik (realistische Hebel):
- Deckel auf Lohnnebenkosten & befristete Reduktion der Stromnebenkosten für produzierendes Gewerbe.
- Schnellabschreibungen (Afa-Turbo) für Maschinen/Software, Genehmigungen < 6 Monate (Recht auf Fristablauf).
- Präventive Restrukturierung vereinfachen: Sanieren vor Insolvenzantrag, weniger Haftungsrisiko für Gläubiger, schnellere Planverfahren.
- Exportabsicherung/Factoring-Programme für KMU, Härtefallfonds für systemische Cluster (Zuliefererketten).
Für Unternehmen (Überlebensliste):
- 12-Monats-Cash-Plan wöchentlich aktualisieren; Lager/Working Capital aggressiv reduzieren.
- Preisstrategie: Weg von „Rabatt“, hin zu Leistungsbündeln & Service-Verträgen.
- Kundenmix diversifizieren (Export, neue Branchen), Nearshoring prüfen.
- Produktivität zuerst: Automatisierung dort, wo sie binnen 18–24 Monaten trägt.
- Früh restrukturieren: Covenants anpassen, Stundungen sichern, ESUG/StaRUG prüfen – bevor es brennt.
Für Beschäftigte:
- Weiterbildung jetzt (CNC/Robotik, Qualitätsmanagement, Energiemanagement, IT-Grundlagen).
- Anerkennung & Umschulung nutzen (Bildungsgutscheine), Transfergesellschaften als Brücke verstehen – nicht als Endstation.
🧷 Fazit
Ohne Entlastung bei Energie & Lohnnebenkosten, ohne radikalen Bürokratie-Schnitt und ohne schnellere Sanierungswege droht 2026 eine Pleite-Plateauphase – hoch, zäh, teuer. Deutschland braucht nicht die nächste „Taskforce“, sondern verlässliche Rahmenbedingungen und ein klares Bekenntnis zur Industrie.
💬 Kommentar der Redaktion (konservativ, scharf)
Deutschland hat kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem. Seit Jahren warnen Unternehmer – passiert ist: mehr Abgaben, mehr Regeln, mehr Zaudern. Wer Wertschöpfung will, muss sie entfesseln: weniger Kosten, weniger Bürokratie, mehr Geschwindigkeit. Alles andere ist Standortromantik.


