Künstlicher Geruchssinn könnte Millionen Menschen helfen – Medizinhistorischer Schritt in der Dresdner Uniklinik
Dresden – Es ist ein Meilenstein für die Medizin: Erstmals wird in Dresden eine elektronische Nase getestet, die den menschlichen Geruchssinn teilweise ersetzen kann. Entwickelt wurde das weltweit erste Implantat dieser Art von einem internationalen Forschungsteam im Rahmen des EU-Projekts ROSE. Die Leitung des medizinischen Teils liegt beim Interdisziplinären Zentrum für Riechen und Schmecken an der Dresdner Uniklinik, unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas Hummel.
🔬 Was kann die künstliche Nase?
Das Ziel: Verlorene oder gestörte Geruchswahrnehmung durch ein Implantat zu ersetzen, das elektrische Signale direkt ans Gehirn sendet. Möglich machen das 64 x 64 Mikrosensoren auf einem Chip – rund 4000 Sensoren, die unterschiedliche Duftmoleküle erkennen und entsprechende Muster erzeugen.
Prof. Hummel: „Es ist illusorisch, die gesamte Riechwelt zurückzugeben – aber ein Teil davon kann reaktiviert werden.“
Aktuell wird das System in Dresden unter Laborbedingungen getestet – erste Erfolge zeigen: Der Sensor kann Zitronen- oder Spinataromen auslösen.
📉 Warum ist das so wichtig?
Weltweit leidet etwa jeder 20. Mensch unter Geruchsverlust – durch Unfälle, Viren wie Corona oder angeborene Ursachen. Betroffene können nicht nur schlechter schmecken, sondern verlieren auch soziale und emotionale Wahrnehmungen, etwa durch Pheromone. Auch Warnfunktionen wie Rauch oder verdorbene Lebensmittel bleiben ihnen verborgen.
„Riechen ist mehr als Genuss – es ist Kommunikation, Erinnerung und Schutzmechanismus“, sagt Prof. Hummel.
🧠 Wie funktioniert das System?
- Die Mikro-Sensoren erkennen chemische Muster in der Atemluft
 - Diese werden in elektrische Signale übersetzt
 - Die Signale werden gezielt an das Gehirn weitergeleitet
 - Dort entsteht eine künstlich erzeugte Riechempfindung
 
Der Vergleich ist einfach: Geruchsmuster funktionieren wie Buchstaben und Wörter – aus vielen kleinen Reizen wird ein komplexer Geruch gebaut, den das Gehirn erkennt.
🌍 Das steckt hinter dem EU-Projekt ROSE
Das Implantat ist das Ergebnis von 30 Jahren interdisziplinärer Forschung in Europa. Beteiligt sind:
- Lyon (Projektkoordination)
 - Schweiz (Sensorelektronik)
 - Mailand (Design)
 - Dresden (klinische Entwicklung und Anwendung)
 
Dresden erhielt rund 700.000 Euro aus dem Projektvolumen von 3,5 Mio. Euro. Das Folgeprojekt für die medizinische Anwendung ist bereits in Planung.
🏥 Wann kommt die Anwendung?
Derzeit laufen noch Pilotstudien ohne Implantation. Erste Anwendungen als Medizinprodukt könnten in 4–5 Jahren möglich sein – ein Quantensprung für Betroffene weltweit.
„Wir stehen am Anfang einer neuen Ära für Menschen mit Geruchsverlust“, so Prof. Hummel.

                
