Nach Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Besserer Verdienst für Häftlinge kommt – aber später als gefordert
Dresden – Gefangene in Sachsens Justizvollzugsanstalten sollen ab 2026 mehr Geld für ihre Arbeit erhalten. Hintergrund ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2023, das die niedrige Bezahlung von Strafgefangenen in Bayern und Nordrhein-Westfalen für verfassungswidrig erklärte. Obwohl Sachsen nicht direkt verurteilt wurde, ist die Landesregierung mittelbar betroffen – und räumt nun Handlungsbedarf ein.
⚖️ Karlsruher Urteil: Mindeststandards für Gefangenenvergütung
Das Bundesverfassungsgericht hatte mit dem Urteil neue Maßstäbe gesetzt. Die bisherige Entlohnung verletze das Resozialisierungsgebot (Artikel 2 Abs. 1 GG i.V.m. Artikel 1 GG), weil sie weder motivierend noch existenzsichernd sei. Den betroffenen Bundesländern wurde eine Frist bis Ende Juni 2025 zur Neuregelung eingeräumt.
Sachsen will sich jedoch bis 2026 Zeit lassen, wie Justizministerin Constanze Geiert (CDU) in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion erklärte.
⚠️ Juristische Risiken für Sachsen
Zwar war Sachsen nicht direkt Teil des Verfahrens – doch Experten gehen davon aus, dass sich Gefangene in Sachsen erfolgreich auf das Urteil berufen könnten, wenn sie eine höhere Vergütung einklagen.
„Das Urteil entfaltet faktisch eine bundesweite Bindungswirkung“, kommentieren Verfassungsrechtler.
„Ein Hinauszögern birgt Rechtsrisiken für das Land.“
🧑🏭 So wenig verdienen Gefangene in Sachsen derzeit
In Sachsen sitzen rund 3.000 Gefangene ein. Es besteht keine Arbeitspflicht, wer nicht arbeitet, erhält ein Taschengeld von 2,27 Euro pro Tag.
Aktuelle Vergütung für arbeitende Gefangene (Stand 2025):
- Mindestsatz: 9,71 Euro pro Tag
- Höchstsatz: 20,22 Euro pro Tag
- Beschäftigungsbereiche:
- Anstaltsbetriebe (z. B. Küche, Wäscherei, Werkstätten)
- Arbeitstherapie und Ausbildung
- Fertigungsaufträge für regionale Unternehmen
💬 Politischer Streit um Umsetzung
Die Linke-Fraktion im Sächsischen Landtag kritisiert das Zögern der Regierung:
„Wer ernsthaft Resozialisierung will, muss auch menschenwürdige Arbeitsbedingungen schaffen“, so ein Sprecher.
Die Landesregierung verweist auf die angespannte Haushaltslage und betont, dass eine flächendeckende Erhöhung der Vergütung nur unter erheblichen finanziellen Anstrengungen möglich sei.
🗨️ Kommentar: Resozialisierung braucht mehr als Zellen und Zwang
Die Arbeit im Strafvollzug ist ein zentrales Mittel zur Wiedereingliederung. Eine Bezahlung, die weniger als das Existenzminimum beträgt, ist nicht nur demotivierend, sondern verletzt auch das Grundrecht auf Menschenwürde. Sachsen riskiert nicht nur Klagen, sondern auch ein ethisches und politisches Glaubwürdigkeitsdefizit.