Ministerpräsident Michael Kretschmer lehnt Gnadengesuch von Detlev G. ab – Juristen fordern Strafrechtsreform
Dresden/Waldheim – Der als „Stückelmörder von Dresden“ bekannt gewordene Detlev G. bleibt in Haft. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat ein Gnadengesuch des zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Mannes abgelehnt. Das bestätigten die Leipziger Volkszeitung und die Sächsische Zeitung unter Berufung auf eine Entschließung aus der Staatskanzlei.
🔪 Ein bizarrer Fall – juristisch wie moralisch
Detlev G., heute 67 Jahre alt, wurde 2018 vom Bundesgerichtshof wegen Mordes verurteilt, weil er einen Geschäftsmann aus Hannover tötete und dessen Leiche zerstückelte. Die Männer hatten sich in einem Internetforum für kannibalistische Fantasien kennengelernt. Das Opfer habe laut eigener Aussage „geschlachtet“ werden wollen – und soll der Tötung ausdrücklich zugestimmt haben.
Dennoch bewertete der BGH die Tat als Mord, hob damit frühere Urteile des Oberlandesgerichts Dresden auf, das zuvor eine mildere Strafe verhängt hatte. G. sitzt seine Strafe in der Justizvollzugsanstalt Waldheim ab.
📜 Gnadengesuch von Strafrechtsexperten initiiert
Das jüngste Gnadengesuch stammte unter anderem von Professorin Elisa Hoven (Universität Leipzig, Verfassungsgerichtshof Sachsen). Gemeinsam mit weiteren Jurist:innen forderte sie die Freilassung von Detlev G., um auf Lücken im deutschen Tötungsstrafrecht aufmerksam zu machen.
„Wir müssen die Tötungsdelikte im Strafrecht reformieren“, so Hoven.
„Der Fall zeigt, dass Mord nicht in jedem Fall lebenslange Haft bedeuten sollte.“
Kretschmers Entscheidung fiel dennoch negativ aus – Details wurden mit Verweis auf das besondere Verfahren des Gnadenrechts nicht öffentlich gemacht.
⚖️ Mord mit Zustimmung? Eine rechtliche Grauzone
Der Fall spaltet die Fachwelt. Einerseits: Die lebenslange Freiheitsstrafe für Mord ist gesetzlich vorgeschrieben (§ 211 StGB). Andererseits: Die Zustimmung des Opfers, die besondere Motivation, der Kontext und das Verhalten des Täters werfen juristische Fragen auf.
Zwar hatte Detlev G. die Zerstückelung auf Video festgehalten, bestreitet jedoch, selbst die Tötung durchgeführt zu haben:
„Ich bin nicht unschuldig. Aber ich bin kein Mörder“, sagte er in einem Gespräch im Frühjahr 2025.
🏛️ Juristen fordern Reform des Mordparagrafen
Die Kritik an § 211 StGB ist nicht neu: Der Mordbegriff stammt aus der NS-Zeit und gilt als unflexibel, weil er keine Abstufungen zulässt. Die Forderung: Eine Neudefinition der Mordmerkmale und mehr Ermessensspielraum für Gerichte, um zwischen grausamer Tötung und „Grenzfällen“ zu differenzieren.
🗨️ Kommentar: Gnade darf kein Instrument politischer Symbolik sein
Ob G. freizukommen verdient, ist juristisch und moralisch umstritten. Fest steht: Solche Fälle verdeutlichen, wie dringend eine modernisierte Strafrechtsdogmatik benötigt wird – mit differenzierbaren Kategorien statt pauschaler Strafandrohung. Das Gnadenrecht ist kein Instrument zur Rechtsfortbildung – doch der politische Umgang damit wirft Fragen auf.