Angesichts zunehmender russischer Luftangriffe und stockender westlicher Waffenlieferungen steht die ukrainische Luftabwehr unter massivem Druck. In Kiew und anderen Städten werden neue Taktiken getestet – darunter improvisierte Drohnenabwehr und mobile Einheiten mit Maschinengewehren. Präsident Selenskyj warnt: Ohne Nachschub droht ein Kollaps der Verteidigungslinien.
Russland intensiviert Raketenangriffe auf Großstädte
Seit Mitte Juni haben russische Streitkräfte fast täglich Raketen und sogenannte Kamikaze-Drohnen auf ukrainische Städte abgefeuert. Laut ukrainischem Verteidigungsministerium trafen allein in der letzten Woche über 60 Flugkörper Ziele in Kiew, Dnipro und Charkiw. Dabei wurden sowohl zivile als auch militärische Einrichtungen angegriffen.
„Unsere Abwehrsysteme sind erschöpft – nicht technisch, sondern logistisch“, sagte ein Sprecher der ukrainischen Luftwaffe. Besonders problematisch sei die sinkende Verfügbarkeit von Abfangraketen für das Patriot-System sowie für europäische Systeme wie IRIS-T SLM und NASAMS.
USA liefern weniger – Ukraine improvisiert
Hintergrund der Engpässe ist unter anderem eine Blockade im US-Kongress, die die Auslieferung von Nachschub verzögert. Präsident Wolodymyr Selenskyj appellierte an Washington, die Lieferungen dringend freizugeben. Unterdessen setzt das ukrainische Militär auf eigene Entwicklungen: Mit selbstgebauten Drohnen, vernetzten Überwachungssystemen und mobiler Flak wird versucht, zumindest Teile des Luftraums zu schützen.
In Kiew wurden in den vergangenen Wochen sogenannte „Jäger-Teams“ aufgestellt – kleine Einheiten, die mit Geländewagen, Stinger-Raketen und Radartechnik durch die Stadt patrouillieren und auf einfliegende Drohnen reagieren. Beobachter sprechen von einer Rückkehr zu „Partisanenmethoden“ im urbanen Raum.
Militär warnt: Luftabwehr in kritischem Zustand
Militäranalysten warnen, dass die derzeitige Belastung nicht lange aufrechterhalten werden kann. Ohne frischen Nachschub drohe das Luftverteidigungssystem in kritischen Regionen zu kollabieren. Ein Rückgang der Abwehrkapazitäten könnte weitreichende Folgen für die Energieversorgung, Kommandozentralen und zivile Infrastruktur haben.
Auch die deutsche Bundesregierung prüft laut Medienberichten die Lieferung weiterer IRIS-T-Raketen aus Bundeswehr-Reserven. Eine offizielle Bestätigung gibt es bislang nicht.
Selenskyj: „Verteidigung Europas beginnt hier“
In einer Rede am Montag sagte Selenskyj: „Unsere Luftabwehr schützt nicht nur die Ukraine, sondern ganz Europa. Wenn wir diesen Kampf verlieren, wird der Krieg nicht an unseren Grenzen haltmachen.“
Die Regierung in Kiew fordert die internationale Gemeinschaft auf, Lieferungen zu beschleunigen – insbesondere Raketen, Ersatzteile und Flugüberwachungssysteme. Zugleich wird weiter an einheimischen Lösungen gearbeitet: Ein neues, in der Ukraine entwickeltes Radar-Drohnen-System soll noch im Juli testweise eingesetzt werden.