Millionen Tonnen Weltkriegsmunition bedrohen Meer, Umwelt und Menschen
Kiel – Es klingt unglaublich, ist aber traurige Realität: Auf dem Grund der Nord- und Ostsee liegen rund 1,6 Millionen Tonnen Munition – Bomben, Granaten, Minen und sogar chemische Kampfstoffe. Jahrzehntelang verdrängt, drängt das Problem jetzt mit voller Wucht zurück ins öffentliche Bewusstsein.
💣 Explosion unter Wasser – eine tickende Zeitbombe
- In der deutschen Ostsee lagern rund 300.000 Tonnen Munition.
- In der Nordsee sogar 1,3 Millionen Tonnen.
- Viele Sprengkörper liegen nur wenige Meter unter der Wasseroberfläche.
Der Grund: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden riesige Mengen Munition einfach ins Meer gekippt – als schnelle Entsorgungslösung. Hinzu kommen Seeminen, versunkene Kriegsschiffe und Blindgänger.
🌊 „Wenn die Segler wüssten …“
„Wenn die Segler wüssten, worüber sie täglich fahren, würden sie sich wahrscheinlich nicht mehr so frei bewegen“, sagt Jens Greinert vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Wer taucht, kann die rostenden Bomben sogar mit bloßem Auge erkennen – teils sind sie offen sichtbar auf dem Meeresboden verstreut.
☢️ Giftige Gefahr – nicht nur für Fische
Die Bedrohung ist nicht nur explosiv – sondern auch giftig.
- Die rostenden Hüllen gleichen teils einem löchrigen Käse.
- TNT, Senfgas, Phosgen, Sarin, Tabun – hochgefährliche Substanzen lösen sich im Wasser.
- Diese gelangen in Fische, Muscheln und Sedimente – und damit auch in die Nahrungskette des Menschen.
„Das Gesundheitsrisiko für Konsumenten von Meeresfrüchten steigt“, warnt Toxikologin Jennifer Strehse von der Universität Kiel. In Muscheln aus betroffenen Gebieten seien bereits krebserregende Konzentrationen gemessen worden.
🐋 Sprengen ist keine Lösung
Das klassische Entschärfen oder Sprengen ist oft problematisch:
- Sprengungen unter Wasser setzen die Gifte großflächig frei.
- Dazu kommt die Gefahr für Meeressäuger wie Schweinswale, die durch die Druckwellen schwer verletzt oder getötet werden können.
In Deutschland ist das Sprengen deshalb nur noch mit einem dämpfenden Blasenschleier erlaubt.
🏗️ Pilotprojekt in der Lübecker Bucht – Hoffnung auf Lösung
Erstmals testet Deutschland in der Lübecker Bucht ein Pilotprojekt zur großflächigen Bergung der tödlichen Altlasten.
- Eine schwimmende Plattform soll die Munition direkt auf See entschärfen und entsorgen.
- In anderthalb Jahren könnte sie weltweit eingesetzt werden.
Auch die EU-Kommission zeigt bereits Interesse an der Technologie.
🇩🇪 Warum erst jetzt?
Der Grund für die späte Reaktion:
- Lange war unklar, wer überhaupt zuständig ist – Bund oder Länder.
- Auch die Angst vor der Schuldfrage spielte eine Rolle.
- Jetzt investiert das Bundesumweltministerium 100 Millionen Euro in die Lösung.
🕐 Das Ziel: Eine munitionsfreie Ostsee bis 2040
Experten wie Jens Greinert glauben, dass die deutschen Gewässer der Ostsee bis 2040 munitionsfrei sein könnten. Die Nordsee wird aufgrund der größeren Mengen eine noch größere Herausforderung.
✅ Fazit: Deutschlands blindestes Erbe wird endlich entschärft
Was jahrzehntelang unter der Oberfläche ruhte, bedroht heute sichtbar Umwelt, Tiere und Menschen. Die Räumung der Nord- und Ostsee von Weltkriegsmunition ist eine Generationenaufgabe – aber sie beginnt endlich.