Das zerbrechliche Fundament: Wie die Mächtigen das Völkerrecht beugen – und der Gerechtigkeit entkommen
Zittau/New York/Moskau/Washington, 22. Juni 2025 – Das Völkerrecht gilt als einer der zivilisatorischen Pfeiler der modernen Weltordnung: Es soll Staaten binden, Kriege verhindern, Menschenrechte schützen und gerechte Konfliktlösungen ermöglichen. Doch die Wirklichkeit zeigt ein beunruhigendes Bild: Immer mehr Regierungen nutzen ihre Macht, um die Regeln gezielt zu umgehen – oder sie schlicht zu ignorieren. Besonders auffällig: USA, Russland, China und Israel – vier Staaten mit internationalem Gewicht, die das Völkerrecht in zentralen Fragen unterlaufen und es dabei schaffen, sich der Rechenschaft zu entziehen.
Die Regel „Gleiches Recht für alle“ – sie gilt auf globaler Ebene längst nicht mehr. Stattdessen herrscht ein System geopolitischer Doppelmoral, in dem nicht das Recht, sondern die Macht entscheidet.
USA: Weltpolizist oder Weltrechtbrecher?
Die Vereinigten Staaten inszenieren sich seit Jahrzehnten als Verteidiger von Freiheit und Demokratie – oft mit militärischer Präsenz, weltweiter Überwachung und wirtschaftlichem Einfluss. Doch bei genauem Hinsehen zeigt sich: Die USA verletzten wiederholt internationales Recht, wenn es ihren strategischen Interessen diente.
- Irakkrieg 2003: Die Invasion erfolgte ohne UN-Mandat, gestützt auf falsche Beweise zu Massenvernichtungswaffen. Die Konsequenzen: Hunderttausende Tote, ein destabilisiertes Land und der Aufstieg terroristischer Netzwerke.
- Drohnenkrieg & gezielte Tötungen: Im Namen der Terrorabwehr wurden Menschen in Pakistan, Jemen oder Somalia getötet – oft ohne vorherige Anklage, ohne Prozess, ohne Zustimmung der betroffenen Staaten. Juristisch ist das kaum haltbar.
- Guantánamo Bay: Das Gefangenenlager auf Kuba steht symbolisch für die Umgehung der Genfer Konventionen. Gefangene wurden ohne Verfahren festgehalten, gefoltert oder jahrelang interniert – ohne dass je Anklage erhoben wurde.
Die USA berufen sich meist auf Selbstverteidigung oder nationale Sicherheit – doch für viele internationale Juristen bleibt: Hier wurde Völkerrecht gezielt umgangen. Strafrechtliche Konsequenzen? Keine.
Russland: Machtpolitik mit Gewalt
Noch unverhohlener agiert Russland: Mit der Annexion der Krim 2014 und dem Überfall auf die Ukraine 2022 hat Moskau grundlegende Prinzipien der UN-Charta verletzt – darunter die Achtung staatlicher Souveränität und das Gewaltverbot.
Putin beruft sich auf historische Narrative und auf den „Schutz russischer Minderheiten“. Doch international ist klar: Der russische Krieg gegen die Ukraine ist ein klarer Bruch des Völkerrechts, auch wenn Russland dies rhetorisch als „militärische Spezialoperation“ verpackt.
Zudem nutzt Moskau gezielt sein Vetorecht im UN-Sicherheitsrat, um Sanktionen oder Resolutionen zu blockieren – eine systematische Lähmung des internationalen Regelwerks. Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat zwar Haftbefehle erlassen – doch Russland erkennt das Gericht nicht an.
China: Wirtschaftsdominanz statt Rechtsbindung
China nutzt völkerrechtliche Grauzonen, um seine geopolitischen Interessen durchzusetzen – insbesondere im Südchinesischen Meer, das Peking fast vollständig beansprucht. Andere Anrainerstaaten wie Vietnam oder die Philippinen werden mit wirtschaftlichem und militärischem Druck konfrontiert.
Ein Urteil des Ständigen Schiedshofs in Den Haag von 2016, das Chinas Gebietsansprüche für unrechtmäßig erklärte, wird von der Volksrepublik schlicht ignoriert. China verweigert die Anerkennung internationaler Rechtsprechung und setzt stattdessen auf Fakten durch militärische Präsenz: künstliche Inseln, Flugplätze, Radarstationen.
Auch in der Handelspolitik nutzt China völkerrechtliche Regeln selektiv – etwa durch gezielte Investitionen, die zu wirtschaftlicher Abhängigkeit führen, oder durch Repressalien gegen Staaten, die sich Peking kritisch gegenüberstellen.
Israel: Sicherheitsinteresse versus Völkerrecht
Der Nahostkonflikt ist seit Jahrzehnten auch eine juristische Auseinandersetzung: Israel beruft sich auf sein Selbstverteidigungsrecht, das völkerrechtlich anerkannt ist. Gleichzeitig werden jedoch immer wieder UN-Resolutionen verletzt, etwa durch den Ausbau von Siedlungen im Westjordanland, die als völkerrechtswidrig gelten.
Militärische Operationen im Gazastreifen, bei denen regelmäßig zivile Opfer zu beklagen sind, werfen Fragen zur Verhältnismäßigkeit und zum humanitären Völkerrecht auf. Zwar ist Israel demokratisch verfasst und besitzt funktionierende Institutionen – doch gegenüber internationalen Gerichten zeigt sich das Land wenig kooperativ.
So erkennt Israel z. B. die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs nicht an. Strafverfahren gegen verantwortliche Militärs sind damit kaum durchsetzbar – ein rechtspolitisches Vakuum.
Vereinte Nationen: Blockiert durch Vetomächte
Die UN verfügen mit der Charta der Vereinten Nationen, dem Internationalen Gerichtshof und dem IStGH über zentrale Instrumente des Völkerrechts. Doch ihre Umsetzung scheitert regelmäßig – vor allem durch das Vetorecht der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats.
Solange eine Großmacht betroffen ist, wird blockiert, vertagt oder relativiert. Das führt dazu, dass die UN häufig machtlos zusehen, wenn schwerwiegende Verstöße geschehen. Der Fall Syrien ist ein Paradebeispiel: Zehntausende Tote, chemische Waffen – doch keine wirksame Sanktion wegen der Vetos Russlands und Chinas.
Fazit: Völkerrecht in der Krise – und die Suche nach Konsequenz
Das Völkerrecht ist nicht tot, aber systematisch geschwächt. Die wichtigsten Regeln zur Wahrung von Frieden, Menschenrechten und territorialer Integrität gelten nicht für alle gleichermaßen. Sie sind abhängig von Macht, geopolitischen Interessen und politischen Bündnissen.
Für kleine und mittlere Staaten, für internationale Organisationen und für die Zivilgesellschaft bedeutet das: Es braucht neue Mechanismen, um Recht wieder durchsetzbar zu machen – unabhängig von der Größe oder dem Einfluss eines Staates.
Andernfalls droht die Rückkehr zu einer Welt, in der nicht das Recht herrscht – sondern das Recht des Stärkeren.