Cum-Ex: Die unbequeme Erinnerung des Olaf Scholz – Politische Verantwortung im Schatten eines Milliardenbetrugs
Berlin/Zittau, 22. Juni 2025 – Der sogenannte Cum-Ex-Skandal bleibt ein offenes Kapitel deutscher Finanz- und Regierungsgeschichte – und er wirft seinen Schatten weiter auf den früheren Bundeskanzler Olaf Scholz. Neue Enthüllungen zeigen, dass nicht nur die Hamburger Finanzverwaltung in den Jahren 2016 und 2017 unter Druck stand, sondern dass mindestens acht enge Mitarbeiter von Scholz – sowohl aus seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister als auch später als Bundesfinanzminister – in die Abläufe rund um die umstrittene Rückforderung von Steuergeldern an die Warburg-Bank involviert waren.
Inzwischen ist aus einem komplizierten Steuerfall ein politisches Glaubwürdigkeitsproblem geworden, das das Vertrauen in staatliche Integrität und Rechtsstaatlichkeit erschüttert – weit über Parteigrenzen hinaus.
Ein Bilanzskandal mit System – und Schweigen
Beim Cum-Ex-Modell ließen sich Banken und Investoren mehrfach Kapitalertragsteuer erstatten, die nur einmal gezahlt worden war. Möglich wurde dies durch Leerverkäufe und schnelle Eigentumswechsel rund um den Dividendenstichtag. Die Bundesrepublik verlor nach Schätzungen über zehn Milliarden Euro – ein historischer Schaden für den Steuerzahler.
Besonders brisant ist der Fall der Hamburger Warburg-Bank, der exemplarisch für die politische Dimension des Skandals steht: Die Stadt Hamburg forderte 2016 wider Erwarten zunächst keine Rückzahlung der erschlichenen 47 Millionen Euro von der Bank – obwohl klare Hinweise der Finanzbehörden und des Bundesfinanzministeriums vorlagen. Olaf Scholz war zu diesem Zeitpunkt Erster Bürgermeister Hamburgs.
Die Spur führt ins Kanzleramt – und zu Erinnerungslücken
Heute steht nicht mehr nur die Frage im Raum, ob Scholz persönlich Einfluss auf die Entscheidung nahm, sondern auch, welche Rolle seine Mitarbeiter spielten – und in welchem Umfang sie sich mit der Finanzverwaltung abstimmten.
Mindestens acht seiner damaligen Weggefährten, die später in Schlüsselpositionen im Bundesfinanzministerium oder im Bundeskanzleramt saßen, sollen Kontakt mit der Hamburger Finanzbehörde gehabt haben – teilweise mehrfach. Dokumente und E-Mails belegen Treffen, Telefonate und Vermerke, die auf politische Einflussnahme hindeuten könnten.
Doch Scholz und die betroffenen Mitarbeiter verweisen auf lückenhafte Erinnerungen. Wichtige Aussagen im Hamburger Untersuchungsausschuss verliefen ohne nennenswerte Ergebnisse. Kritiker sprechen von organisierter Amnesie.
Rechtsstaat oder Selbstschutz? Die Justiz unter Beobachtung
Die Ermittlungen gegen Verantwortliche im Cum-Ex-Skandal laufen zwar weiter – doch der Fokus auf die politischen Ebenen lässt Zweifel aufkommen, wie unabhängig und effektiv die juristische Aufarbeitung verläuft.
Die Hamburger Staatsanwaltschaft gerät zunehmend unter Druck. In Medienberichten ist von „zurückhaltenden Ermittlungen“ und „zögerlicher Befragung“ die Rede. Mehrere Verfahrensbeobachter fordern mittlerweile die Einsetzung eines unabhängigen Sonderermittlers mit bundesweiter Zuständigkeit.
Auch im Bundestag mehren sich die Stimmen, die eine vollständige Offenlegung aller internen Vorgänge fordern – einschließlich der Akten aus dem Bundeskanzleramt.
Ein Vertrauensproblem – nicht nur für eine Partei
Innerhalb der SPD ist der Umgang mit dem Fall spürbar angespannt. Während sich Scholz weiterhin auf juristische Argumente stützt und „kein Fehlverhalten“ einräumt, meiden viele Parteikollegen das Thema – besonders im Hinblick auf die Landtagswahlen im Osten 2025. Hinter den Kulissen ist von wachsender Sorge die Rede, dass das Thema langfristigen Schaden verursachen könnte.
Die öffentliche Wahrnehmung ist eindeutig: In Umfragen verliert Scholz deutlich an Vertrauen – besonders in Ostdeutschland. Für viele Bürgerinnen und Bürger ist es unvorstellbar, dass ein Kanzler oder Finanzminister keine genaue Kenntnis über einen derart brisanten Vorgang gehabt haben soll.
Demokratie in der Vertrauenskrise
Der Fall Cum-Ex ist längst kein Einzelfall politischer Erinnerungslücken mehr – er steht exemplarisch für die Krise des politischen Vertrauens in Deutschland. In einer Zeit, in der Bürger soziale Gerechtigkeit, Fairness und Transparenz einfordern, wirkt der Umgang mit diesem Skandal wie eine Selbstvergewisserung einer abgehobenen politischen Elite.
Die langfristige Wirkung ist gefährlich: Wenn Bürger das Gefühl haben, dass für Machtträger andere Regeln gelten, leidet das Fundament der Demokratie. Der Fall Scholz ist deshalb nicht nur ein Fall für die Justiz, sondern ein Fall für die politische Kultur dieses Landes.
Fazit: Aufklärung als Staatsaufgabe
Ob Olaf Scholz juristisch für sein Handeln oder Unterlassen zur Verantwortung gezogen wird, bleibt offen. Doch politisch steht längst fest: Die nicht erfolgte Aufklärung, die ausbleibende Übernahme von Verantwortung und das kollektive Schweigen beschädigen das Vertrauen in Politik, Verwaltung und Justiz. Eine unabhängige Aufklärung und konsequente Transparenz wären überfällig – nicht als parteipolitische Waffe, sondern als Akt demokratischer Hygiene.