Lage/Paderborn. In immer mehr Städten sorgt die Kandidatur von AfD-Politikern für Bürgermeisterämter für Streit – und für juristische Fragen. Darf ein Kandidat antreten, wenn er offen die Verfassung in Frage stellt? Oder muss ein Wahlausschuss handeln, um Extremisten auszuschließen?
🚨 Der Fall Uwe Detert in Lage (NRW)
Alles begann mit einem Zeitungsbericht über den AfD-Mann Uwe Detert.
- Detert teilte antisemitische Verschwörungstheorien („Rothschilds als heimliche Weltherrscher“).
- Er verbreitete Reichsbürger-Narrative („Deutschland ist kein souveräner Staat“, „Das Deutsche Reich ist nie untergegangen“).
- Trotzdem stellte ihn die AfD als Bürgermeisterkandidaten auf.
Ein Bürgermeister ist jedoch kein einfacher Mandatsträger, sondern Wahlbeamter, der „jederzeit Gewähr für die Verfassungstreue“ bieten muss. Diese Pflicht ist in der Gemeindeordnung NRW festgeschrieben.
Nach intensiven Debatten, geheimen Einsichtnahmen in Unterlagen des Verfassungsschutzes und politischem Ringen entschied der Wahlausschuss in Lage schließlich: Detert darf nicht antreten.
⚖️ Paderborn: Das Gegenbeispiel
Ganz anders verlief es in Paderborn. Dort lag ebenfalls ein brisantes Dossier des Verfassungsschutzes vor – diesmal über den AfD-Kandidaten Marvin Weber.
- Weber hetzte regelmäßig gegen Migranten („Sozialtouristen“, „Intensivtäter“, „Messerjongleure“).
- Er stellte die Staatlichkeit Deutschlands in Frage („BRDDR“, „verlumpte West-DDR“).
Trotzdem entschied der Wahlausschuss hier: Weber darf kandidieren. Begründung: Das Risiko einer späteren Wahlanfechtung sei zu hoch.
📉 Zwei Städte, zwei Entscheidungen
Die Fälle zeigen ein Dilemma:
- Lage entschied sich für den Ausschluss – aus Verantwortung gegenüber der Verfassung.
- Paderborn ließ den Kandidaten zu – aus Angst vor juristischen Folgen und Wahlwiederholungen.
Beide Entscheidungen sind rechtlich möglich, doch sie führen zu Verunsicherung.
🧐 Strukturelles Problem
- Kommunalpolitiker in Wahlausschüssen sind meist Ehrenamtliche – Landwirte, Ingenieure, Angestellte. Sie sind keine Juristen.
- Der Verfassungsschutz liefert zwar Einschätzungen, entscheidet aber nicht.
- Der Gesetzgeber hat bisher keine klaren Leitlinien geschaffen.
Damit liegt eine der schwerwiegendsten Fragen für die Demokratie in den Händen von Laien, die in wenigen Stunden über Kandidaturen entscheiden sollen.
📝 Kommentar der Redaktion
Der Ausschluss von AfD-Kandidaten aus Bürgermeisterwahlen ist ein heikler Eingriff in die Demokratie. Natürlich müssen antisemitische oder extremistische Aussagen klar benannt und verurteilt werden. Aber die Frage bleibt: Soll wirklich ein kleiner Wahlausschuss im Rathaus entscheiden, wer kandidieren darf – oder das Volk an der Wahlurne?
Wenn man Kandidaten ausschließt, bevor die Bürger ihre Stimme abgeben können, schafft man Märtyrer und stärkt genau jene, die man schwächen will. Demokratie lebt vom offenen Wettbewerb der Meinungen. Wer die AfD für gefährlich hält, soll sie politisch stellen – nicht durch Verwaltungsbeschlüsse ausschalten.
👉 Fazit: In einer echten Demokratie muss der Wähler entscheiden, nicht ein Gremium hinter verschlossenen Türen. Wer Meinungen verbietet, beweist damit nur, dass er der Debatte nicht mehr gewachsen ist.