Streit um Ausreiseverbote für Diplomaten
Kiew/Warschau. Der ehemalige ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba (43) hat Präsident Wolodymyr Selenskyj scharf attackiert. In einem Interview mit der italienischen Zeitung Corriere della Sera erklärte Kuleba, er habe seine Heimat „wie ein Dieb in der Nacht“ verlassen müssen – kurz bevor eine neue Verordnung der Regierung in Kraft trat, die ehemaligen Diplomaten die Ausreise verbietet.
🚫 Verbot für Ex-Diplomaten
Nach Kulebas Angaben sind rund 20 ehemalige Diplomaten von dem Schritt betroffen. Eine militärische Notwendigkeit gebe es nicht:
„In der Ukraine sind ehemalige Diplomaten nicht zum Militärdienst verpflichtet. Die Wahrheit ist, dass Selenskyj und sein Umfeld nicht wollen, dass wir im Ausland Dinge sagen, die ihrer Meinung nach der Regierungslinie zuwiderlaufen.“
Das Verbot solle kritische Stimmen ausschalten, so Kuleba.
⚖️ Hintergrund: Korruptionsstreit
Kuleba erinnerte daran, dass er sich während seiner Amtszeit mehrfach gegen die Einschränkung der Antikorruptionsbehörden gestellt habe. Kritiker werfen Selenskyj seit längerem vor, unabhängige Institutionen politisch zu schwächen und die Korruptionsbekämpfung unter Kontrolle zu bringen.
🔄 Kulebas Karriere & Bruch mit Selenskyj
- 2003: Eintritt in den diplomatischen Dienst
- 2020: Ernennung zum Außenminister
- September 2024: Entlassung durch Selenskyj mit der Begründung fehlender „Energie“ bei Waffenbeschaffung im Westen
- Heute: Senior Fellow am Belfer Center der Harvard-Universität, gefragter Redner auf internationalen Konferenzen
Kuleba selbst weist inhaltliche Kritik an seiner Arbeit zurück.
📅 Reisepläne und Dementi
Seine Pressestelle widersprach Berichten über eine „Flucht“. Kuleba habe die Ukraine vor Inkrafttreten des Dekrets verlassen und plane, Mitte September zurückzukehren. Zuvor wolle er u. a. erneut nach Polen reisen.
📊 Infobox: Streitpunkt Ausreise
- ⚔️ Kriegsrecht seit Februar 2022: Männer 18–60 dürfen nicht ausreisen
- 🛂 Ausnahme bisher: Diplomaten und Regierungsmitarbeiter
- 🆕 Neue Verordnung: gilt nun auch für ehemalige Diplomaten
- 🎯 Offiziell: Schutz der „staatlichen Sicherheit“
- ❗ Kritiker: Versuch, politische Kontrolle über Stimmen im Ausland zu behalten
🗣️ Kommentar:
Selenskyjs Risiko – Schweigen erzwingen heißt Kritik schärfen
Das Ausreiseverbot für ehemalige Diplomaten ist mehr als eine bürokratische Maßnahme. Es sendet das Signal: Kritik soll im Ausland nicht gehört werden. Für einen Präsidenten, der sich als Vorkämpfer von Demokratie und Transparenz präsentiert, ist das hochriskant.
Die Ukraine lebt auch vom Vertrauen ihrer westlichen Partner. Wer kritische Stimmen mundtot machen will, riskiert Zweifel an der eigenen Glaubwürdigkeit. Ironischerweise könnte Selenskyjs Versuch, Kritik zu verhindern, deren Wirkung nur verstärken.